Im alten China erklärte man die Wirkung der Akupunktur mit Hilfe des Qi, einer Form von Lebensenergie, die durch die Akupunkturmeridiane fließt. Auch heute noch wird Ihr Akupunkturarzt von Qi-Blockaden oder Qi-Stagnation, von Qi-Fülle oder Qi-Mangel in bestimmten Meridianen sprechen oder davon, dass Kälte, Wind oder Feuchtigkeit in Meridiane eingedrungen sind. Doch was meint er damit genau?

Was ist Qi?

Der chinesische Begriff kann übersetzt mehreres bedeuten, unter anderem Energie, Dampf oder Kraft. Es ist nicht leicht, in wenigen Worten auszudrücken, was die alten chinesischen Meister der Medizin darunter verstanden, aber am ehesten kommt wohl der Begriff der "Lebensenergie" dem eigentlich gemeinten nahe. Qi ist die Energie des dynamischen Ausgleiches. Um gesund leben zu können, bedarf es eines harmonischen Ausgleiches zwischen Yin und Yang (siehe Die Prinzipien von Yin & Yang). Qi ist die Energie hinter diesem Ausgleich bzw. der Ausgleich an sich. Genauso benötigt der Mensch, analog zur Natur mit ihren Jahreszeiten, einen Ausgleich zwischen den Fünf Elementen respektive Wandlungsphasen (siehe Die 5-Elemente-Lehre). Qi ist auch hier die ausgleichende Energie, die in der gegenseitigen Beeinflussung der fünf Elemente besteht.

Qi ist also ein sehr abstrakter Begriff, der sich aus der chinesisch-daoistischen Philosophie ableitet. Dennoch haben Chinesen damals wie heute eine sehr konkrete, handfeste Vorstellung vom Qi: so ähnlich wie Strom durch elektrische Leitungen fließt, zirkuliert das Qi durch die Leitbahnen (=Meridiane) des Körpers und sorgt bei störungsfreiem Fluss für ein gesundes, harmonisches Gleichgewicht im Körper.

Was sind denn nun genau die Akupunkturmeridiane?

Nach der Vorstellung der chinesischen Lehrmeister, zirkuliert das Qi als Lebensenergie in insgesamt 12 ordentlichen und mehreren außerordentlichen Leitbahnen bzw. Meridianen. Von den ordentlichen Meridianen liegen jeweils sechs auf der oberen Körperhälfte bzw. den Armen (eher Yang) und sechs auf der unteren Körperhälfte bzw. den Beinen (eher Yin). Von den sechs Meridianen oben liegen wiederum drei an der Innenseite des Armes (wo die Haut weich ist) - dies sind die Yin-Meridiane - und drei an der Außenseite (an der behaarten, der Sonne zugewandten Seite) - dies sind die Yang-Meridiane.

Analog dazu gibt es auch auf der unteren Körperhälfte und den Beinen jeweils drei Yin- und drei Yang-Meridiane.

Alle diese zwölf Leitbahnen sind nun hintereinander geschalten, wobei die Energie - ganz dem Yin-Yang-Ausgleich entsprechend - immer von einem Yin- in einen Yang-Meridian fließt und umgekehrt. Auch zwischen oben (Yang) und unten (Yin) wird immer abwechselnd zirkuliert.

Auf diesen Akupunkturmeridianen liegen nun die insgesamt mehr als 400 Akupunkturpunkte. Sie sind als "Tore zur Leitbahn" zu verstehen, über die mittels Nadeln Einfluss auf das zirkulierende Qi genommen werden kann. So kann bei Qi-Fülle Energie abgelassen werden oder bei Mangel Energie aus anderen Meridianen zugeführt werden. Immer wieder kommt es zu Blockaden oder Stagnationen des Energieflusses, die sich in Form von Schmerzen über der betroffenen Körperregion ausdrücken. Dann kann mit Hilfe der Nadeln an den richtigen Punkten der Energiefluss wieder angeregt und so der Schmerz gelindert werden.

Die Meridiane der oberen Körperhälfte sind: Lunge (Yin), Dickdarm (Yang), Herz (Yin), Dünndarm (Yang), 3-Erwärmer (Yin), Perikard (Yang)

Die Meridiane der unteren Körperhälfte sind: Magen (Yang), Milz (Yin), Blase (Yang), Niere (Yin), Gallenblase (Yang), Leber (Yin)

Wie aus dieser Aufzählung ersichtlich ist, sind die Meridiane nach Organen des Körpers benannt, die über den entsprechenden Meridian besonders gut behandelt werden können. Es ist allerdings wichtig zu wissen, dass in der chinesischen Antike die tatsächlichen Funktionen der Organe noch nicht vollständig bekannt waren und deshalb in der Akupunktur mit den  Organbezeichnungen oft anderes gemeint wird als in der Schulmedizin. So lässt sich beispielsweise über den Milz-Meridian besonders gut auf die Verdauung Einfluss nehmen. Heute weiß man, dass nicht die Milz, sondern vielmehr die Bauchspeicheldrüse wichtige Funktionen für die Verdauung erfüllt. Dennoch hat sich bis heute die Bezeichnung "Milz" in der Chinesischen Medizin gehalten.